In einer zunehmend digitalisierten Produktionswelt wird die Vernetzung von Maschinen immer wichtiger. Doch bevor mit der Datenerfassung begonnen werden kann, stellt sich eine grundlegende Frage:
Hat meine Maschine überhaupt eine Schnittstelle?
Bevor wir loslegen, kurz zur Klärung:
Eine Schnittstelle (englisch: interface) ist eine Möglichkeit, über die eine Maschine mit anderen Systemen kommunizieren kann. Das kann zum Beispiel sein:
Neben dem technischen Protokoll gehört jedoch auch der Inhalt der Schnittstelle dazu. Zunächst stellt sich die Frage: Wie soll diese Schnittstelle konkret genutzt werden? Dazu ist es sinnvoll, zunächst festzulegen, welche Datenpunkte überhaupt relevant sind. Geht es beispielsweise um Betriebszustände, Zyklen, Stückzahlen, Temperaturen, Störungen oder Energieverbrauch? Eine klare Definition der gewünschten Informationen ist entscheidend, um die Schnittstelle sinnvoll zu gestalten.
Darüber hinaus ist zu überlegen, ob und wie Daten gepuffert werden sollen, d.h. ob die Schnittstelle Daten zwischenspeichern kann, falls die Verbindung zu einem übergeordneten System einmal unterbrochen sein sollte. Gerade bei produktionskritischen Anwendungen kann dies ein wichtiges Kriterium sein, um Datenverluste zu vermeiden.
Bei gekauften Maschinen ist oft ein Handbuch bzw. eine technische Dokumentation oder ein Schaltplan vorhanden. Hier empfiehlt es sich, zunächst zu suchen. Suchbegriffe können sein:
Je nach Protokoll und Hersteller steht mehr oder weniger im Handbuch. Oft findet sich aber ein erster Hinweis, ob etwas nachgerüstet werden muss oder ob bereits Schnittstellen eingebaut sind.
Wenn das Handbuch nicht weiterhilft, geht es an der Anlage weiter. Ein Blick auf die Rückseite oder ins Innere des Schaltschranks kann viel verraten:
Dann ist der Anfang gemacht. Mit einem Programmiergerät können die Schnittstellen getestet und ggf. erste Daten abgerufen werden.
Weder das Handbuch noch der Blick in den Schaltschrank haben geholfen? Dann ist noch nicht alles verloren:
Wenn die technischen Unterlagen keine eindeutigen Angaben enthalten oder Unsicherheiten bestehen, lohnt es sich in jedem Fall, direkt mit dem Anlagen- oder Maschinenhersteller Kontakt aufzunehmen. Damit die Anfrage zielführend ist und ohne viele Rückfragen beantwortet werden kann, sollten einige grundlegende Informationen gleich mitgeliefert werden. Dazu gehören
Diese Angaben helfen dem Hersteller, die Maschine eindeutig zu identifizieren und die entsprechende technische Dokumentation oder verfügbare Schnittstellenmodule zuzuordnen.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, in der Anfrage konkrete Fragen zu stellen, z.B:
Neben den einmaligen Hardwarekosten für Schnittstellenmodule können auch Softwarelizenzen erforderlich sein, z.B. wenn eine Steuerung erst durch ein kostenpflichtiges Upgrade kommunikationsfähig wird. Es lohnt sich, auch nach laufenden Lizenzkosten oder Servicegebühren zu fragen, um Überraschungen zu vermeiden. Eine gut vorbereitete Anfrage spart Zeit, führt schneller zu einer passenden Lösung und zeigt dem Hersteller, dass das Thema ernst genommen wird. Im Idealfall kann so direkt ein konkretes Angebot für eine Nachrüstung oder Schnittstellenfreischaltung erstellt werden.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die vorhandene Anlagensteuerung selbst schnittstellenfähig zu machen - insbesondere, wenn die entsprechenden Ressourcen und das technische Know-how im eigenen Haus vorhanden sind. Viele moderne Steuerungen wie z.B. Siemens S7, Beckhoff oder B&R bringen bereits von Haus aus gewisse Kommunikationsfunktionen mit. Oft ist es nur eine Frage der Konfiguration, diese zu aktivieren oder entsprechend zu erweitern.
Ein typisches Beispiel ist die Aktivierung eines OPC UA Servers direkt auf der Steuerung. Damit können standardisierte Maschinendaten über ein offenes Protokoll - oft sogar ohne zusätzliche Hardware - zur Verfügung gestellt werden. Alternativ kann über Direktzugriffe, beispielsweise über die S7-Protokollfamilie, gezielt auf Datenbausteine innerhalb der Steuerung zugegriffen werden, in denen Zustände, Prozesswerte oder Produktionskennzahlen abgelegt sind. Hier haben wir zusammengefasst, wie unser Gateway auf S7-Variablen zugreift.
Diese Option bietet viel Flexibilität und spart unter Umständen Kosten für externe Module oder Integratoren - setzt aber auch voraus, dass im Unternehmen interne Kapazitäten vorhanden sind. Erforderlich sind sowohl Kenntnisse in der Steuerungsprogrammierung als auch ein tiefes Verständnis der jeweiligen Maschine: Welche Daten befinden sich wo? Wie ändert sich der Zustand im Zyklus? Welche Daten sind überhaupt relevant?
Für Unternehmen mit eigener Automatisierungsabteilung oder erfahrenen SPS-Programmierern kann dieser Weg sehr effizient sein. Wer jedoch keine internen Kapazität zur Verfügung hat, sollte lieber auf externe Unterstützung zurückgreifen oder die Schnittstelle direkt vom Hersteller beziehen, wie in Option A beschrieben. Hier haben wir eine Anleitung zur Konfiguration einer Siemens S7-1500 Steuerung zum Erstellen der OPC UA Schnittstelle erstellt.
Ist weder eine vorhandene Schnittstelle vorhanden, noch kann die Steuerung einfach geöffnet oder erweitert werden, bleibt als dritte Möglichkeit die digitale Nachrüstung durch eigene Sensorik - auch Retrofit genannt. Dabei werden zusätzliche Komponenten installiert, um relevante Maschinendaten unabhängig von der internen Steuerung zu erfassen.
Ein typisches Beispiel sind Stromsensoren, die Rückschlüsse auf den Betriebszustand oder den Energieverbrauch zulassen, z.B. um Laufzeiten, Stillstände oder Lastwechsel zu erkennen. Auch Schwingungssensoren können eingesetzt werden, um Wartungsbedarf frühzeitig zu erkennen oder ungewöhnliche Betriebszustände zu erfassen.
Besonders praktisch sind so genannte Retrofit-Boxen oder Edge Devices. Diese kleinen, intelligenten Geräte lassen sich oft einfach an bestehenden Maschinen nachrüsten. Sie bündeln die Daten verschiedener Sensoren, bereiten sie auf und stellen diese in standardisierten Formaten zur Verfügung - zum Beispiel über MQTT, REST API oder OPC UA.
Retrofit-Lösungen haben den großen Vorteil, dass sie unabhängig von der Maschinensteuerung funktionieren und oft schnell umgesetzt werden können. Allerdings ist auch hier Know-how erforderlich - insbesondere bei der Auswahl geeigneter Sensoren, der Dateninterpretation und der Integration in bestehende IT-Systeme. Ein Nachteil dieser Variante ist jedoch, dass keine direkte Kopplung zur Steuerung besteht - d.h. interne Prozessdaten oder spezifische Maschinenzustände, die nur in der SPS vorliegen, können in der Regel nicht erfasst werden.
Um die Schnittstellenmöglichkeiten einer Anlage auszuloten bietet sich der erste Blick ins Handbuch an. Findet sich unter Suchbegriffen wie „Konnektivität“, „Schnittstelle“ oder „Anbindung“ nichts, hilft der Blick in den Schaltschrank. Findet sich hier auch kein Hinweis auf Anbindungsmöglichkeiten, kann es immer noch weitergehen. So hilft eine Anfrage an den Hersteller (mit direktem Vorschlag zum präferiertem Protokoll und Dateninhalten), die Erweiterung der Steuerung um eine Anbindung (z.B. OPC UA) oder das Retroffiting von der Maschine.